Lange, laaange, laaaaaange Teigführung

Wozu ist das gut?

Immer wieder stößt der Hobbybrotbäcker auf Begriffe wie „Lange Teigführung“, „Langzeitführung“, „lange Gare“ oder auch  „kalte Gare“.

Doch was ist das? Und was bringt es?

Das fragst du dich? Nicht nur du: Auch der kleine Bäcker erfährt immer wieder interessante Neuigkeiten.

Lange kalte Gare während langer Teigführung

Der kleine Bäcker und die Zeit

„Schnell, schnell“, ruft der kleine Bäcker. „Wir backen schnell noch ein Brot. Wo ist denn nur.. Ja, wo ist denn bloß das Mehl? Zack, zack, ich brauche einen Teig, ich muss backen und zwar sofort!“ Mit seinen nicht ganz so langen Armen langt der kleine Bäcker ins Mehlregal – und findet nichts.
„Ja, sag mal.. Versteckst du dich etwa?“, brummelt der kleine Bäcker und versucht sich zu strecken, um noch ein bisschen größer zu sein.
„Ja“, hört er da eine leise Stimme.
„Was?“ Der kleine Bäcker fällt fast vom Regal, als er das hört.
„Schnell, schnell, das geht nicht!“, erklärt der Teig. „Ich brauche Zeit. Sonst wird das nichts.“
„Zeit? Haben wir nicht! Gleich will ich mein wohlverdientes Brot essen“, erklärt der kleine Bäcker unverdrossen und auch etwas großspurig,
„Dann.. Na dann, mache ich dir eben Bauchschmerzen“, gibt der gestresste Teig zurück.
Da ist der kleine Bäcker aber erstaunt. Wie soll das denn gehen?

Wichtiger Partner bei der langen Teigführung

Kräftiger Sauerteig:

Voll gut und voll lecker.

Ein guter Sauerteig hat viele Vorteile und ist ideal geeignet für das Brot backen mit langer Teigführung.

Lange Teigführung rockt

Überspitzt dargestellt gibt es zwei Wege, Brot zu backen.

Variante 1 (die kurze/direkte Teigführung): Mehl und Wasser vermischen, einen Hefewürfel rein werfen. Stunde warten und ab in den Ofen. Fertig.

Variante 2 (lange Teigführung): Das geht so: Zuerst einen Sauerteig ansetzen und reifen lassen. Den Brotteig kneten mit dem Sauerteig als Lockerungsmittel. Hefe ist oft gar keine oder nur in sehr geringen Mengen nötig, denn der Sauerteig hat durch die lange Teigführung genug Zeit um ausreichend Triebkraft zu entwickeln. Anschließend wird dem Teig Zeit für eine lange Gehphase gegeben (Stockgare). Nach der Gare wird das Brot geformt (wirken) und bekommt noch einmal eine ausgiebige Ruhephase (Stückgare) gegönnt. Und dann, nach vielen Stunden, kommt es nun endlich in den Ofen.

Was ist einfach? Eindeutig: Variante 1. Man muss nicht viel über Teig und Mehl wissen. Egal wie der Teig geknetet und verarbeitet wird: Durch die große Menge Hefe gelingt das Brot immer. Es geht schön luftig auf und sieht auch meist gut aus.

Und wieso gibt es dann die Variante 2, die lange Teigführung, die viel mehr Arbeit macht? Und was war das mit den Bauchschmerzen? Jetzt wird es interessant:

Brot backen mit Sauerteig ist zunächst mal aufwendiger als mit Fertighefe. Man braucht Sauerteig. Wer keinen hat, setzt ihn frisch an. Das dauert mehrere Tage und gelingt nicht immer. Der Sauerteig wird als sogenanntes Anstellgut im Kühlschrank aufbewahrt und muss regelmäßig aufgefrischt werden. Am Backtag wird ein Sauerteig aus der benötigten Menge Mehl, Wasser und dem Anstellgut angesetzt, was wieder Zeit und Aufmerksamkeit des Brotbäckers beansprucht.

Wozu also der Aufwand, wenn es für wenig Geld fertige Hefewürfel im Supermarkt gibt?

Eine lange Teigführung hat viele eindeutige Vorteile:

  1. bessere Bekömmlichkeit
  2. besserer Geschmack
  3. längere Haltbarkeit

Das sind gute Argumente, oder? Wenn du mehr dazu erfahren möchtest, lies gleich weiter. Wir gehen alle drei Punkte ausführlich durch.

Vor allem wenn du gekauftes Brot aus dem Supermarkt oder dem Backshop nicht gut verträgst, wird das Folgende für dich interessant sein.

Bekömmlichkeit

Viele Menschen haben Verdauungsbeschwerden. Gehen sie damit zum Arzt, rät der häufig dazu, testweise einfach mal Milch- und Weizenprodukte wegzulassen. Und tatsächlich: Vielen hilft dieser Schritt sofort. In der nächsten, verfeinerten „Testreihe“ stellt sich dann für viele heraus, dass Milchprodukte vertragen werden, aber das Getreide tatsächlich Beschwerden verursacht. Glutenfreie Produkte werden gut vertragen. Auch Dinkel ist gut verträglich, nur Weizen macht richtig Probleme…

Damit scheint klar: Es ist eine Glutenunverträglichkeit. Kann das sein?

Ca. 1 % der Menschen in Deutschland leiden unter Zöliakie, also Glutenunverträglickeit. Für so eine kleine Zielgruppe würde kein Supermarkt mehrere Meter Regal mit glutenfreien Produkten vorhalten. Es muss also noch etwas anderes dahinterstecken. Und so ist es auch.

FODMAPS (fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide sowie Polyole) Was sind FODMAPS?  Bei den FODMAPS handelt es sich einfach gesagt um verschiedene Zuckerverbindungen, die sich von unserer Verdauung nicht gut verarbeiten lassen. Verdauungsbeschwerden, Bauchschmerzen, Blähungen und Unwohlsein können die Folgen sein. Diese Zuckerverbindungen sind natürlicherweise im Mehl und somit im Teig vorhanden. 

Interessant ist: Die Konzentration der FODMAPS im Brotteig ist nach einer Stunde am höchsten. Danach fangen die im Teig (und vor allem im Sauerteig) enthaltenen Mikroorganismen an, diese Zuckerverbindungen abzubauen. Bereits nach vier Stunden sind sie kaum noch vorhanden. Und auch unsere Verdauung hat dann keine Probleme mehr.

Und das ist auch schon die Lösung des Rätsels: In der industriellen Brotherstellung muss alles schnell gehen. Lange Gehzeiten kosten Kapazitäten und Platz. Deswegen wurden die Teige und Prozesse (auch mithilfe verschiedenster Zusatzstoffe) so „optimiert“, dass ein Brot vom Kneten bis zum Backen ziemlich genau 1 Stunde braucht (schneller geht es wirklich nicht). Wir erinnern uns: Nach einer Stunde ist die Konzentration der FODMAPS am höchsten. 

Bei allen industriellen Broten (verpackt im Supermarkt, aus der Backstation, aus den Backshops und auch aus vielen Bäckereien, die mit Backmischungen arbeiten), bekommen also viele Menschen Probleme, die nichts mit Gluten, aber viel mit der Verarbeitung der Brote zu tun haben.

Das ist übrigens auch die Erklärung, warum Brot aus Dinkel oder anderen Urkornsorten wie Emmer, Einkorn usw. oft viel besser vertragen wird, obwohl der Glutengehalt teilweise sogar etwas höher als beim Weizen ist: Solche Brote werden so gut wie gar nicht industriell hergestellt, denn Dinkel und andere „alte“ Getreide sind viel schwieriger zu verarbeiten und erfordern mehr Aufmerksamkeit und Sorgfalt des Bäckers. Das ist nichts für den Maschinenpark einer Brotfabrik. Dinkel- und Urkornbrote werden hauptsächlich von traditionellen, handwerklich arbeitenden Bäckereien, Bio-Betrieben usw. hergestellt. Und bekommen dort Zeit für die Reife. Mehr als eine Stunde.

 

Geschmack

Es ist faszinierend: Jeder spontangegorene Sauerteig (also jeder Sauerteig, der bei uns zu Hause nur durch Mehl, Wasser, Zeit und Wissen entstand), ist in der Zusammensetzung der Mikroorganismen, die ihn bevölkern und bewohnen, ein Unikat.

Im Labor könnte man jeden Sauerteig der Welt zweifelsfrei identifizieren, wie einen Fingerabdruck.

Das wird nicht nötig sein, den Sauerteige begehen selten Verbrechen. (Es ist eher so, dass der kleine Bäcker für einen guten Sauerteig jederzeit..  naja, lassen wir das lieber.)

Dennoch entscheidet die Zusammensetzung eines jeden Sauerteiges auch darüber, wie das Brot hinterher schmeckt. Es sind hunderte (über 300) verschiedene Aromastoffe bekannt, die ein Sauerteig mitbringen kann.

Klar ist: Ein Sauerteigbrot ist ein Aromafeuerwerk. Während industrielle Hefe aus einem einzigen Hefepilz gezüchtet wird (ausgewählt nach maximaler Triebkraft und Robustheit, nicht nach dem Geschmack), kommen mit dem Sauerteig hunderte unterschiedliche Aromen. Und das schmeckt man.

Haltbarkeit

Sauerteig ist ein natürlicher Schutz gegen Schimmelpilze.

Die Sauerteigorganismen wirken antimikrobiell. Dadurch wird es Schimmelpilzen erschwert, sich im Brot einzunisten.

Außerdem senken die Milchsäuren des Sauerteigs den pH-Wert, was zu einer längeren Frischhaltung führt.

Reine Hefe-Brote werden sehr schnell trocken. Ein Sauerteigbrot bleibt bei richtiger Aufbewahrung über viele Tage frisch und lecker.

Fazit

Wir sehen: Sauerteigbrote schmecken besser, sind besser verträglich, werden nicht so schnell trocken und wehren auf natürliche Weise Schimmel ab.

Außerdem: Brot mit Sauerteig zu backen dauert zwar länger. Je nach Rezept braucht es vom Sauerteigansatz bis zum fertigen Brot zwei Tage oder sogar noch mehr.

Aber der tatsächliche Arbeitsaufwand ist überhaupt nicht so hoch. Alle paar Stunden widmet sich der Bäcker für einige Minuten seinem Brot. Die meiste Zeit arbeitet der Teig aber völlig für sich allein und wir müssen gar nichts tun. Außer danke sagen 🙂

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